PHYSIOLOGIE

 


Prof. Roger H Unger (Southwestern Medical School, University of Texas Health Science Center at Dallas + VA Medical Center) verdanke ich das Verständnis der Stoffwechsel-Physiologie und der hormonellen Regulation der Glucohomöostase während eines postdoctoral fellowship in Dallas / Texas von 1982-1984.

Prof. Isabel Valverde (Fundacion Jimenez Diaz, Dpto. Metabolismo Nutricion y Hormonas, Universidad Autonoma de Madrid) verdanke ich tiefe Einblicke in die Physiologie des Glucagons und seiner verwandten Peptide während eines Studienaufenthaltes in ihrem Labor.

*AAR Starke

Glucose - Homöostase

Aufrechterhaltung der Blutzucker-Konzentration (= Glucose-Homöostase) als konstantes "internes Milieu", innerhalb einer engen physiologischen Grenze von 60-180 mg/dl.

Verfügbarkeit von Glucose als Hauptbrennstoff des Gehirns als wichtigster, fundamentalsterund biochemisch anspruchsvollster Stoffwechselvorgang des Menschen.

Da nicht kurzzeitig zu hoher Blutzucker sondern zu niedriger Blutzucker eine akute Gefährdung der Funktionstüchtigkeit des Organismus bedeutet, steht dem alleinigen blutzucker-senkenden Hormon (Insulin), gleich eine "Armada" von blutzucker-erhöhenden Faktoren gegenüber.
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an physiologische und unphysiologische Extrembedingungen findet ihre geniale Vollendung in der evolutionären Auslagerung der zentralnervösen Regulation der Glucose-Homöostase vom Gehirn in die endokrine Peripherie unter Zwischenschaltung der hormonell aktiven pankreatischen Inseln (Langerhans`sche Inseln) mit Produktion von Insulin, Glucagon, und Somatostatin, sowie deren Einbindung in den Blutkreislauf der Leber, dem biochemischen "Kraftwerk" des Organismus.

Mathematik der Glucose-Homöostase

Der normale basale Glucosebedarf des Organismus liegt bei 2 mg/kg/min.

Daraus errechnen sich bei einem Gewicht von 75 kg pro Stunde knapp 10 Gramm.

Etwa 5-6 g/h verbraucht das Gehirn, tag und nacht, in Ruhe und in "Arbeit".

In Ruhe verbrauchen Muskulatur, Fettgewebe, innere Organe (Leber, Herzmuskel) und rote Blutkörperchen nur 4 g/h, zum größten Teil mit Hilfe des Insulins.

Die Leber muß unter Ruhebedingungen diese 10 g/h liefern können, zu 75 % mit Hilfe des Glucagons.

Ein Blutvolumen von 70 ml /kg ergibt bei 75 kg Körpergewicht: 5.25 Liter Blut.
Bei einer arteriellen Blutzucker-Konzentration von 50 mg / dl ergeben sich darin nur 2.75 Gramm frei zirkulierender und verfügbarer Glucose.
Die Gehirndurchblutung mit 15 % des Herzminutenvolumens (HMV) ergibt bei 1500 Gramm Gehirn-Masse 900 ml / Minute (60 ml/100 g/Minute) = 54 Liter / Stunde mit einem Gesamtgehalt von rechnerisch 27 Gramm Glucose (= 0.45 g/Minute).
Davon extrahiert das Gehirn mindestens 20 % ( = 5.4 g ), was zu einem normalen Abfall der arteriellen Blutzucker-Konzentration von 50 mg/dl auf venöse 40 mg/dl führen würde (Differenz: 10 mg / dl = 90 mg / 900 ml pro Minute = 5.4 g / 54 l pro Stunde).

Diese einfache Berechnung liefert die Ursache für die fundamentale Bedeutung einer kritischen arteriellen Blutzucker-Höhe von 50 mg/dl für normale Funktionsfähigkeit des Gehirns, die bei 40 mg/dl bereits unterschritten wird (und zu neurologischen Symptomen führt).

Voraussetzungen sind ein normales Herzzeitvolumen (HMV) und eine normale Gehirndurchblutung.
Beeinträchtigungen der Herzleistung durch Insuffizienz oder Cardiomyopathie und der Hirndurchblutung durch Schlaganfall oder Cerebralsclerose zeigen die Anfälligkeit für Hypoglykämien bei diesen Erkrankungen.

Die sog. "Stress-Hyperglykämie" im Postaggressions-Stoffwechsel bedeutet nichts anderes als Adaptation an gefährdete cerebrale Durchblutung zur Sicherstellung des Gehirn-Glucosebedarfs durch biochemische Zentralisation des Glucose-Stoffwechsels analog der hämodynamischen Kreislaufzentralisation im Schockzustand (cardiogen, hämorrhagisch, hypovolämisch). Die biochemische Zentralisation wird mit Hilfe des Glucagons im Sinne einer lebensnotwendigen "endogenen Glucose-Infusion" erreicht.

Literatur Glucose-Homöostase

1.
Unger RH: The milieu interieur and the islets of Langerhans. Diabetologia 20 (1981) 1-11
2.
Unger RH, Orci L: Glucagon and the A-cell. Physiology and pathophysiology. N Engl J Med 304 (1981) 1518-1524
3.
Unger RH: Insulin-glucagon relationships in the defense against hypoglycemia. Diabetes 32 (1983) 575-583
4.
Unger RH: Glucagon physiology and pathophysiology in the light of new advances. Diabetologia 28 (1985) 574-578
5.
Starke AAR: Endokrines Pankreas: Glucagon. In: Kümmerle, Hitzenberger, Spitzy (Hrsg) - Klinische Pharmakologie. 4. Aufl, 51. Erg-Lfg., 1-14 (1996)
6.
Starke AAR, Grundy S, McGarry JD, Unger RH: Correction of hyperglycemia with phloridzin restores the glucagon response to glucose in insulin-deficient dogs: Implications for human diabetes. Proc Natl Acad Sci USA 82 (1985) 1544-1546
7.
Starke AAR, Imamura T, Unger RH: Relationsship of glucagon suppression by insulin and somatostatin to the ambient glucose concentration. J Clin Invest 79 (1987) 20-24

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Physiologie der Glucose - Homöostase

© Copyright der der schematischen Diavorlagen : Prof. R H Unger, Dallas, Texas, USA

Glucoregulation unter basalen Ruhebedingungen

Copyright RH Unger Unter basalen Ruhebedingungen werden vom Gehirn (ZNS) insulin-unabhängig 6 Gramm Glucose pro Stunde und von Muskulatur, Fettgewebe und Leber insulin-abhängig 4 Gramm pro Stunde benötigt. Diese 10 Gramm Glucose pro Stunde werden glucagon-abhängig von der Leber durch Glykogenolyse und Gluconeogenese produziert, um ein Glucose-Gleichgewicht (Glucohomöostase) im Extrazellulärraum zu gewährleisten. Über adrenerge, cholinerge und peptiderge Neuronen unterliegen die pankreatischen Inselzellen dabei der zentranervösen Kontrolle.

Glucoregulation unter physischer (Muskel-) Aktivität

Copyright R.H.UngerBei Muskelarbeit (physischer Aktivität) verbraucht die Muskulatur bis zu 40 Gramm Glucose pro Stunde. Bei deutlich vermehrter Durchblutung des Muskelgewebes mit entsprechender Exposition von Insulin-Rezeptoren kann dabei die Insulin-Konzentration im Blut trotz des Mehrbedarfs gesenkt werden (Suppression der Insulin-Konzentration, Steigerung der Insulin-Sensitivität). Der Mehrbedarf von 40 Gramm wird von der Leber in den Glucosepool produziert, vermittelt durch einen deutlichen Anstieg der Glucagon-Konzentration im Blut.

Glucoregulation im Hunger-, Fastenzustand

Copyright R.H.UngerDurch Suppression der Insulin-Konzentration wird der Glucosebedarfder Gewebe (Muskel, Fett) unter den Bedarf bei Ruhebedingungengeregelt bzw. minimiert. Das Gehirn verbraucht weiterhin 6 Gramm pro Stunde.Unter dem Einfluß erhöhter GlucagonKonzentrationen reagiert das Fettgewebe mit Stimulation der Lipolyse und Freisetzung von Fettsäuren, die durch Blockade der Glykolyse (Fructose-2,6-Biphosphat) und gleichzeitige Stimulation der mitochondrialen Ketogenese (Malonyl-CoA) in Ketonkörper umgewandelt werden. Ketone können von den Geweben als Alternativ-Substrat verbrannt werden, zu einem kleinen Anteil auch vom Gehirn aufgenommen werden. Metabolite der Fettsäure-Verbrennung hemmen die Hexokinase (Glykolyse) und den peripheren Glucosetransport (Randle-Zyklus, physiologische Insulinresistenz zur Hypoglykämie-Prävention). Überschüssige Ketone werden im Urin ausgeschieden. Ketone haben eine zentralbervöse emetische Nebenwirkung (Übelkeit, Nausea). Insulin ist der wichtigste Suppressor der Ketogenese.


Glucoregulation nach Nahrungsaufnahme
(postprandiale alimentäre Regulation)

Copyright R.H.UngerNach der Nahrungsaufnahme muß der Blutzucker trotz Aufnahme von bis zu 50 Gramm Glucose pro Stunde aus dem Darm konstant gehalten werden.Die Glucoseproduktion der Leber wird durch gleichzeitigen Anstieg der Insulin- Konzentration und Hemmung der Glucagon-Konzentrationen blockiert. Die aufgenommene Glucose wird in Leber und Muskel nicht-oxidativ verstoffwechselt (Glykogen-Synthese, Fettsäure und Triglycerid-Synthese / Lipogenese). Ein zusätzliches Steuerelement ist in Form des Somatostatin vorhanden, das die Geschwindigkeit der Glucose-Resorption beeinflußt. GLP-1 (glucagon-like peptide-1) stimuliert als Inkretin die Insulin-Sekretion und hemmt die Glucagon-Sekretion in Abhängigkeit vom Kohlenhydrat-Anteil.

Glucoregulation im Postaggressionszustand
(Operation, Trauma, Schock)

Copyright R.H.UngerBei kritischer Minderperfusion des Gehirns werden die notwendigen 6 Gramm Glucose pro Stunde durch zentranervös potenzierte Glucagon-Stimulation durch die Leber gewährleistet. Die Glucagon-Wirkungen werden an der Leber durch die sog. Stresshormone (Cortisol, STH, Endorphine) potenziert. Unter Katecholamin-Einfluß (Adrenalin) wird eine "Stoffwechselzentralisation" erzielt. Der Glucoseverbrauch der Peripehrie (Muskel, Fett, Leber) wird durch Hemmung der Insulin-Konzentration und geichzeitigen Anstieg der oft erheblichen Insulin-Resistenz auf unter 1 Gramm pro Stunde minimiert.

Glucoregulation bei Typ I - Diabetes
(absoluter Insulinmangel)

Copyright R.H.UngerBeim absoluten Insulinmangel des Typ I- Diabetes.....................................

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